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joseydeclaire
JdA-Projekt Rose
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Wege

Sie sah auf die Uhr. War es etwa spät geworden?

War sie, war vieles in ihr auch aufgrund all der Wege wie gebeugt, genau jetzt wollte sie sich aufrichten, zum Horizont blicken. War es Abendröte oder die aufgehende Sonne?

Bis hier hin war sie nun gelaufen - gehetzt, gegangen - getrieben. Geträumt?

Stille. Zum ersten Mal, dass nicht nur sie selbst schwieg, um, wie sie allzu oft begründete, nicht zu verletzen. Nein, diesmal schien es, als sei sie einer liebevoll umarmenden Stille, einem fast schon andächtigen Schweigen schönster Worte, Gefühle und Geborgenheit nah.
Ihre Sinne streckten sich aus, machten sich breit. Sie lächelte für diesen Moment.

All die Jahre, über den ganzen, häufig auch so beschwerlichen Weg hinweg, alleine; mit, wegen oder trotz ihrer Kinder?

Immer wieder hatten sich die Wege gekreuzt, geteilt. Angrenzend der neu möglichen Richtungen fanden sich zumeist unzählige verwirrende Wegweiser, Schilder, Hinweise, Beschreibungen, Forderungen. Immer wieder hatte sie sich entscheiden müssen. 
Offenbarten sich noch so viele Wege, so offenbarte sich dennoch kein Ziel, allenfalls Stationen.

Nicht etwa, dass sie nicht gewusst, gar vergessen hatte, wohin sie wollte. Nein, es schien, als wenn Zeit, Umstände oder/und vergangene Zukunft den Wegweisern, Hinweisen, Beschreibungen und Forderungen sowieso lediglich aufgetragen hatten, welchen Weg sie zu beschreiten habe.
Unbemerkt wurde Ausruhen irgendwann nur noch zu kurzem Verharren, zuweilen gar zum Erstarren. Beten wurde gar zum Flehen, um anschließend wieder in neuen Gebeten zu münden.

So war sie letztlich immer nur ein kleines Stückchen ihres ursprünglich geraden, zielgerichteten Weges vorangekommen. 
Ab und an waren da Blumen, bereit zu blühen, bereit ihre Farben zu zeigen, sie mit ihrem Duft zu betören. Da waren sogar ab und an Plätze, welche zum Verweilen einluden, Sterne zum Greifen nah. Doch meist schienen sie ihr zu weit fort ihres Weges, oder aber ihr wurde die Sicht zu diesen Plätzen durch auf sie Zueilendes, Vorübergehendes, Menschen verwehrt.

Wie oft hatte sie sich schon vorgestellt, sogar gewünscht Wege zu verlassen, auf solch einladenden Platz zuzusteuern. Doch umgehend fühlte sie sich gezogen.

So Vieles zog und zerrte an ihr, führte, trieb, navigierte sie diesen und jenen Weg entlang. Selbst wenn ihr Äste der Bäume, Zweige von Büschen am Rande jener Wege ins Gesicht schlugen, sie war immer weiter vorwärts gelaufen.

Oh nein, sicherlich nicht nur selbstlos, sicherlich nicht nur aus Pflichtgefühl, sicherlich nicht nur gepeinigt, sicherlich nicht durchweg ziellos.

Doch hatte sie im Lauf der Zeit auch allzu häufig einfach nur hingenommen, sich zunehmend gewöhnt, den Schein wahrend arrangiert wiederholt endend in fast vollständiger Selbstaufgabe.

-

Sie sah auf die Uhr. War es etwa wirklich spät geworden?

War sie, war vieles in ihr auch aufgrund all der Wege gebeugt, sie hatte sich noch einmal aufgerichtet, blickte, wie sie selbst spürte, sehnsuchtsvoll zum Horizont.

An diesem Tag schien so Vieles anders. Das Licht in der Ferne strahlte ungewohnt faszinierend, ihr Herz erwärmend. Da war mehr, als sie selbst in ihren Gedanken, ihren Bildern überhaupt je beschreiben könnte. 
Verbarg sich hinter dieser Stille, hinter dem Horizont jene wundervolle, schon vertraute Melodie, so mochte sie diesmal für immer darauf zugehen. Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit war sie sich, aus sich selbst heraus sicher, so sicher.

Sie ging voran. Mutig, hoffnungsvoll, voller Freude.
Der Weg führte immer geradeaus. Es schien, als würden die Lasten, welche sie so lange mit sich führte, leichter und leichter. Sie kam rasch voran. Sie spürte, fühlte, erkannte, sah ihr Ziel am Horizont.

Nach einer Weile, mag es das Ende des Weges gewesen sein, stand sie vor einem vermutlich uralten Baum, welcher den Weg abermals teilte. Verwundert betrachtete sie zunächst diesen Baum, welcher zur rechten Seite hin zierlich, zerbrechlich und dennoch so stark, so voll der Hoffnung und Geborgenheit, zur linken Seite hin vertraut wirkte.

Nein, dieses Mal zeigten sich zu Seiten der Wege hin keiner der bislang üblich angetroffenen zahlreichen Wegweiser, Schilder, Hinweise, Beschreibungen, Forderungen. 
So sah sie sich mit suchendem Blick um.

Mag es ein leichter Windhauch gewesen sein. War es ein Blatt des Baumes, welches durch jenen Hauch zu Boden schwebte?

Als sie sich wieder dem Baum zuwandte, folgten Ihre Augen einem solchen. Einem Zeichen? Jedenfalls bemerkte sie nun links und rechts des Baumes, zu Beginn des jeweils weiterführenden Weges scheinbare Schatten am Boden. Wie zum Gebet ging sie bedacht in die Knie. Nun erkannte sie die Ursprünge der jeweiligen Schatten.

Zum linken Weg weisend fand sie einen sicherlich sehr alten Kompass, dessen Nadel sich unaufhörlich drehte. Daneben lag eine wohl ebenso alte, runde Sanduhr, deren Inhalt endlos in Bewegung schien. Beides platziert inmitten einer vergilbten, abgegriffenen Landkarte.

Sie sah zur anderen Seite.

Dort entdeckte sie, zum rechten Weg hin weisend ein Stück Rinde des Baumes. Um es nicht zu zerbrechen, hob sie es entsprechend vorsichtig auf. Bei genauem Hinsehen offenbarte es die Form eines Herzens und einen erstaunlich feinen Schriftzug: Irgendjemand hatte inmitten dieses Herzens das Wort „Vertrauen“ geritzt.

Sie sah auf zum Himmel, zum Licht. -

Zeigte sich ihr die Abendröte oder die am Horizont aufsteigende Morgensonne?

Sie erkannte und wusste, in diesem Moment könnte und durfte sie dies ganz alleine entscheiden.

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'Immerherzring'